Selbstzweifel und Social Media Teil 2

Veröffentlicht am 12. Juni 2025 um 12:33

Natürlich gibt es nach wie vor auch die Personen, die sich getrauen, einem auch ganz direkt im «echten Leben» zu kritisieren. Ein ganz krasses Erlebnis dieser Art hatte ich einmal beim Einkaufen. Einer meiner Söhne hatte während diesem Einkauf einfach gar nicht auf mich gehört. In seiner unbändigen Energie rannte er durch den Laden statt bei mir zu bleiben und langsam zu gehen. Irgendwann reichte es mir und ich legte eine Süssigkeit ins Regal zurück, die er sich vorher herausgesucht hatte. Auf diese Handlung wurde mit lautstarkem Protest reagiert. Da kam eine ältere Dame auf mich zu und meinte, dass ich das doch nicht zulassen konnte. Als ich ihr antwortete, dass er so schreit, weil ich ihn gerade erziehe, lachte sie mich frech aus. Dazu muss ich ehrlich sagen, dass das etwas ist, was ich gar nicht vertrage, wenn jemand so zynisch reagiert. Ich schimpfte zurück, was normalerweise gar nicht meine Art ist und ich hinterher bereute. Solche Leute und Kommentare sollten mich viel mehr kalt lassen. Ich arbeite daran. Wie man es macht, man macht es immer verkehrt.

Das trifft auch auf die Ehrlichkeit in Sachen Muttersein zu. Zum einen gibt es manche, die zu mir mitleidig sagen: »Gell, es ist nicht einfach, mit drei Kindern!» Das ist etwas, was ich mag und doch nicht mag. Ja, es ist MANCHMAL nicht leicht, und es ist schön, dafür Verständnis zu bekommen. Aber bei solchen Aussagen wird auch schnell die Problematik statt das Glück, drei Kinder zu haben, in den Vordergrund gerückt. Und ich finde, man sollte sich immer vor allem bewusst bleiben, dass es nicht selbstverständlich ist, drei Kinder zu haben. Zum anderen hat man aber bei anderen Leuten das Gefühl, dass man es ja nicht selbst mal sagen darf, wenn es schwer ist mit drei Kindern. Wehe, du jammerst von dir aus über stressige Situationen! Einerseits tut es manchen gut, zu sehen, dass auch bei dir nicht immer alles perfekt läuft. Zum anderen kann es aber auch sein, dass dein ganzes Lebenskonzept infrage gestellt oder daran gezweifelt wird, ob dich dein Partner genug unterstützt. Und mancher will es schlichtweg nicht hören, dass sich eine Mutter auch mal beschwert, die ja schliesslich drei Kinder wollte! Es ist ein zweischneidiges Schwert. Aber eine Freundin, die auch mit Absicht drei – mittlerweile erwachsene – Kinder hat, sagt aber auch, dass man sehr wohl auch mal jammern darf. Und sie ist mit dieser Meinung nicht alleine. Meine Hebamme, die mich zuhause besuchte, wies mich auch darauf hin, dass wenn es mir mal zu viel mit drei Kindern werden würde, ich mir ganz offiziell Hilfe holen dürfte. Ich antwortete: «Sagt dann keiner: «Sie wollten doch die drei Kinder!»?» Die Hebamme antwortete: «Nein!» Also, selbst professionelle Betreuungsstellen gestehen einem zu, dass man nicht bis in die letzte Konsequenz vorhersehen kann, wie das Leben mit einem, zwei, drei oder mehr Kindern sein wird.

Da ich sagte, wenn man sich beschwert, wird je nachdem dein Lebenskonzept infrage gestellt: Es fällt mir auch in den sozialen Medien auf, dass Lebenskonzepte infrage gestellt werden. Der Gedanke wäre an sich ja gut, aber es wird dadurch auch eine Art Druck aufgebaut. Ich spreche von dem Thema der bisher klassischen Rollenverteilung unter Mutter und Vater – ein grosses und kontroverses Thema. Es wird in den sozialen Medien stark aufgezeigt, dass es doch eigentlich anders sein sollte. Z.B. wird gezeigt, dass wenn ein Mann die Kinder mal für zwei Stunden der Mutter abnimmt, das keine echte Me-Time für die Mutter darstellt. Me-Time: Das ist wieder so eine Verenglischung der deutschen Sprache, die ich schlimm finde. Nennen wir es eher «Zeit für sich selbst». Das stimmt natürlich irgendwo. Statt kurze kinderfreie Zeit nur für sich zu nutzen, erledigt eine Mama meist irgendetwas in dieser Zeit. Aber ehrlich gesagt – auch darum bin ich froh: Wenn ich einfach mal etwas ganz ohne Kinder, die sich einmischen, erledigen kann. Und deswegen bin ich trotzdem froh, wenn mein Mann mir solche Zeiten ermöglicht. An dieser Stelle würde wieder mancher intervenieren. Wieso nimmt der Papa die Kids der Mama «mal ab». Es sollte doch eh alle Care-Arbeit (wieder eine Englisch-Deutsch-Kreation) an den Kindern 50/50 aufgeteilt sein. Ganz ehrlich, wie soll das vollständig umsetzbar sein? Kinder hängen nun einmal am meisten an der Mama. Sie interessieren sich nicht dafür, ob das einer modernen Rollenaufteilung genehm ist. Und was ist bitte verkehrt daran, wenn man sich als Mama beim Vater bedankt, wenn er einem die Kinder abnimmt? Das wird in den sozialen Medien ebenfalls kritisiert. Schliesslich seien ja Mama und Papa gleichermassen für die Kinder verantwortlich. Das ist so. Aber ist es wirklich so schlimm, «Danke» zu sagen? Bricht da bei einem wirklich ein Zacken aus der Krone? Lieber sagt man doch einmal zu viel «Danke» als zu wenig. Entspannt euch auch hier Mütter: Lasst den Papa doch auf seine eigene Art und Weise helfen!  Irgendwo muss man sich halt im Klaren werden: Will ich in einer Beziehung ständig gegenseitig aufrechnen, wer was übernimmt oder will ich eine glückliche liebevolle Beziehung führen? Mir geht bei dem Thema einfach dieses gegenseitig aufrechnen auf den Wecker. Ich finde, dass dabei die Liebe völlig auf der Strecke bleibt. Wenn ein Paar das natürlich alles genau aufrechnen möchte, es beide wollen, dann sollen sie es tun. Dann sollen sie das untereinander auch genau kommunizieren. Aber es sollte auf Social Media bitte nicht als ein Muss hingestellt werden. Meins ist das einfach nicht, das wäre mir zu anstrengend. Es mag sein, dass ich zuhause halt das Wäschewaschen übernehme, aber mein Mann ist ja deswegen nicht untätig, er kocht halt mal lieber, bringt Recycling-Müll weg oder übernimmt einen Einkauf. Es muss ja alles davon erledigt werden. Da kommt es doch nicht so darauf an, wer was genau macht. Ich vergleiche das mal mit meinem Beruf. Als Tramchauffeuse bin ich es gewohnt, für meine ganze Umgebung mitzudenken. Ich habe einen sechsten Sinn dafür entwickelt, vorauszuahnen, wer als nächstes in meinen Weg läuft oder fährt, welcher Fahrradfahrer die Rote Ampel nicht beachten wird oder welches parkende Auto kurz vor der Abfahrt ist, ohne, dass der Fahrer schaut, ob ein Tram kommt. In all solchen Situationen reagiere ich instinktiv. Als ich den Job noch nicht lange machte, regten mich solche Situationen auf, aber heute stehe ich darüber. Ich dachte irgendwann: «Das sind ja die Situationen, die meinen Job interessant statt langweilig machen. Und ausserdem kommt es nicht darauf an, wer mehr aufpasst, sondern nur darauf, dass am Ende meines Dienstes nichts passiert ist!» Und so ist es auch mit den Aufgaben in einer Familie. Im Endeffekt geht es darum, dass der Alltag läuft, dass vor allem die Kinder versorgt sind. Und manches davon mag mehr der Mama liegen, manches mehr dem Papa. Der Alltag ist für beide Partner voll. Jeder hat seine Kapazität, was er machen kann. Vielleicht mag sie bei einem höher liegen. Aber Hauptsache das Gesamtziel wird erreicht. So sehe ich das. Es wird bei all dem nämlich vergessen, das eh nicht ganz normal ist, dass sich hauptsächlich nur zwei Menschen um die Kinder kümmern. Es heisst nicht umsonst: Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf. Doch dieses Dorf steht heute der Allgemeinheit immer weniger zur Verfügung. Früher haben drei Generationen in einem Haus gewohnt und konnten sich gegenseitig unterstützen. Das ist heute nicht mehr so. Es wird heute als völlig normal angesehen, dass sich ein Paar, zeitweise nur einer davon, um die Kinder kümmert. Aber das ist neben dem Alltag und der Berufstätigkeit gar nicht so leicht. Bei uns ist es gar nicht anders möglich. Auf den Teil unserer Eltern, der noch lebt, können wir altersbedingt nicht zugreifen. Und die zwei Betreuerinnen, die wir noch für unsere Kinder haben, können wir auch nicht zu oft beanspruchen, weshalb man sich das für dringende Fälle aufhebt. Aber da besteht in unserer Gesellschaft ein grosses Manko. Und Kitas sind teuer. Da muss man sich immer wieder organisieren. Das muss man alles einfach bedenken. Kinder grosszuziehen ist insgesamt eine grosse Arbeit, die Eigentlich die Auslastung von Eltern, die auch noch dem Alltag und der Arbeit nachgehen müssen, sprengt. Wenn man dieses Grosse und Ganze im Hinterkopf behält, hilft das sich als Eltern nicht gegenseitig Vorwürfe zu machen, wer was macht, sondern lösungsorientiert zu agieren.

Bei all der Ehrlichkeit darüber, wie anstrengend das Leben mit drei Kindern sein kann, muss ich momentan schon immer wieder bewusst darauf achten, die Zeit mit den Kids zu geniessen. Und das tue ich auch. Dabei fällt mir eine Begegnung im Warteraum eines Amtes mit einer Mutter mit drei jugendlichen Kindern ein. Sie merkte, dass unsere Kids meinem Mann und mich auch ganz schön Kräfte kosten. Sie sagte, wir sollen die Zeit aber auch geniessen, es wird nicht leichter. Als ich ihr sagte, dass aber auch die Zeit, in der sie gerade lebt, nicht wieder kommt, antwortete sie: «Das ist auch gut so!» Da dachte ich für mich: «Dann hat sie aber nicht wirklich dazugelernt. Sie hat nicht gelernt, die MOMENTANE Phase zu geniessen, wie sie es uns riet.» So möchte ich trotz allen anstrengenden Momenten nicht sein. Es lohnt sich darum zu kämpfen, jede Phase auch zu geniessen.

Damit schliesse ich aber das Meckerkapitel über die Meinungen anderer ab.

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